Innovative Landwirtschaft trifft auf bäuerliche Tradition - Standortförderung Zürioberland

Innovative Landwirtschaft trifft auf bäuerliche Tradition

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Dieser Artikel ist auch im Zürioberland Magazin vom 5. April 2024 erschienen.

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Zertifizierte Regionalprodukte, GPS-gesteuerte Traktoren, neue Hühnerrassen, ein YouTube-Kanal oder Kochrezepte auf der Hofwebsite: Bauernbetriebe aus der Region vereinen mit ihrem Unternehmergeist Tradition und innovative Landwirtschaft.

Autor: Sabrina Honegger, Leiterin Geschäftsfeld Regionalprodukte Standortförderung Zürioberland

Meringue, Joghurt oder Quittengelee mit dem Label «us em Zürioberland». Andreas und Sarah Fässler, Pächter des Langacherhofs in Rüti, zertifizieren heute als einziger Hof im Zürcher Oberland Produkte mit dieser Regionalmarke, die sonst vor allem Zwischenproduzenten wie Käsereien oder Bäckereien nutzen. «Als Bauern sind wir Unternehmer», betonen die Fässlers. «Wir suchen stets nach neuen Möglichkeiten und probieren vieles aus. Regionalität entspricht vollkommen unserer Philosophie. Als Eier- und Milchproduzent verarbeiten wir einen Teil unserer Erzeugnisse selbst weiter und können sie dank des Labels noch besser vermarkten.» Seit vier Jahren steht zudem ein 24-Stunden-Verkaufsautomat auf dem Langacherhof – damals der erste seiner Art weit und breit. Die perfekte Alternative zum Hofladen: «Heute versorgen sich die Leute oft spätabends an unserem Automaten; eine gute Investition.»

 

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Andreas und Sarah Fässler, die Pächter des Langacherhofs in Rüti, zertifizieren heute als einziger Hof im Zürcher Oberland Produkte mit der Regionalmarke «us em Zürioberland». Foto: © Langacherhof

Vorreiter bei neuer Zweinutzungs-Hühnerrasse
Um als Pächter eines Biohofs erfolgreich zu wirtschaften, sind Weitblick und langfristiges Denken für die Fässlers unerlässlich. So müssen sie ihre 2000 Legehennen zukünftig auf eine sogenannte Zweinutzungsrasse umstellen, da männliche Küken in der Schweizer Biobranche ab 2026 nicht mehr getötet werden dürfen. Der Hof hat als Vorreiter bereits bei der letzten Einstallung im Herbst 2023 auf die neue Hühnerrasse Sandy gesetzt. «Wir wollen früh Erfahrungen sammeln und den zukünftigen Markt aufbauen.» Wenn es 2026 ernst gilt, will die Familie Fässler die Nase vorn haben. Als Eierlieferant müssen sie die Mast der Hähne für die Fleischproduktion nun mitfinanzieren, zudem legt die neue Rasse weniger Eier. Die Bio-Eierproduktion wird also bedeutend teurer – ein grosses, unternehmerisches Risiko. «Schlussendlich entscheiden die Konsument:innen, ob es für uns aufgeht», gibt Andreas Fässler zu bedenken. «Ideen haben wir aber noch viele.» Und wann kommen ihm diese in den Sinn? «Beim Melken. Da habe ich Zeit, nachzudenken.»

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Auf dem Langacherhof gibt es unter anderem auch selbstgemachte Joghurts. Foto: © Nina Kälin

Kochrezepte auf der Website
Weitblick und Unternehmertum kennzeichnen auch den Chlaus-Hof in Bäretswil. So trägt das Fleisch der Angusrinder von Rico Dubach und Julia Brülisauer demnächst auch das Label «us em Zürioberland». «Die Marke spricht genau unser Zielpublikum an – wir wollen in der Region für die Region produzieren», erklärt Julia Brülisauer. «Wichtig ist uns auch, die ganzen Tiere zu verwerten – obwohl längst nicht alle Konsument:innen wissen, wie man bestimmte Fleischstücke zubereitet.» Die Lösung liefert die leidenschaftliche Köchin gleich selbst: Auf der Website des Chlaus-Hofs findet man ihre Rezeptsammlung, von Rindsfilet bis Voressen.

YouTube-Video über Traktoren-GPS-Systeme
Zu Hause ist der landwirtschaftliche Innovationsgeist auch auf dem Birkenhof in Uster, der primär von Milchwirtschaft, aber auch von Naturschutzpflege lebt. Seit 2020 sind die Traktoren der Familie Pfister mit GPS-Systemen ausgerüstet: «Auf dem Feld fährt es sich wesentlich entspannter, wenn das System den Traktor lenkt und man sich nur auf die Maschine hinten konzentrieren kann», erklärt Andreas Pfister. «So entstehen schöne Geraden, durch die wir das Hackgerät zum Jäten viel einfacher ziehen können. Als Biohof ein echter Vorteil.» Aber auch konventionelle Betriebe profitieren von GPS-Systemen, die sich immer mehr verbreiten.

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Die beiden Brüder Christian (links) und Andreas haben den Birkenhof erst kürzlich übernommen und blicken den kommenden Jahren mit Zuversicht entgegen. Foto: © Birkenhof Uster

Allein in und um Uster werden die Systeme von mindestens vier weiteren Höfen genutzt, was Spritzmittel und Saatgut spart. Andreas Pfister ist zu einem echten Experten geworden: Er gibt mittlerweile sogar Kurse für den Bau solcher Traktor-GPS-Systeme. Ausschlaggebend war ein Erklärvideo, welches sein Bruder Christian für den hofeigenen YouTube-Kanal produziert hatte. Diesen nutzen die Tausendsassas zur landwirtschaftlichen Wissensvermittlung und dokumentieren dort u. a. ihre innovativen Versuche zu Streifenanbau, alternativen Bodenbearbeitungsarten oder dem Anbau von Edamame. Der Landwirtschaft bleiben sie aber trotz aller Nebenerwerbszweige treu: «Wir haben den Hof erst kürzlich übernommen – unsere Landwirtschaftskarriere hat also gerade begonnen. Die nächsten Jahre werden daher äusserst spannend.»

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Die mit GPS-Systemen ausgerüsteten Traktoren sorgen für schöne Geraden, durch die das Hackgerät zum Jäten viel einfacher gezogen werden kann. Foto: © Birkenhof Uster

Koexistenz als Innovationstreiber
Warum ist nun gerade das Zürcher Oberland ein guter Nährboden für landwirtschaftliche Innovationen? Die drei Höfe sind sich einig: Lebensmittelproduzent: innen und Konsument:innen leben in der Agglomeration deutlich näher beieinander als in Städten. Dank dieser Koexistenz spüren die findigen Landwirt:innen den Markt sehr gut und erkennen früh die Bedürfnisse der Verbraucher:innen. Diese wiederum sehen z. B. auf Spaziergängen die lokale Produktion, anerkennen und schätzen Arbeitsweise sowie Tierwohl und konsumieren daher gerne regional. Ein Standortvorteil, der landwirtschaftliche Unternehmer:innen nachhaltig antreibt.