24. August 2025
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24. August 2025 | 11:00 - 13:30 Uhr
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8620 Wetzikon ZH
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Literatur & Bibliotheken
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Mithu Sanyal
Mithu Melanie Sanyal ist eine deutsche Kulturwissenschaftlerin, Journalistin und Schriftstellerin. Sie wurde 1971 in Düsseldorf geboren. Sanyal wuchs dort als Tochter einer polnischstämmigen Sekretärin und eines indischen Ingenieurs auf. Sie studierte deutsche und englische Literatur an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie promovierte über die Kulturgeschichte des weiblichen Genitals. Aus ihrer Doktorarbeit entstand 2009 das Buch «Vulva. Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts.» 2016 «Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens».
Mit «Identitti» legte sie 2021 ihr Romandebüt vor, 2023 folgte «Antichristie». Seit 2023 ist sie Mitglied der Jury beim Bachmann Wettbewerb in Klagenfurt und ist Gründungsmitglied des PEN-Clubs Berlin.
Sanyal erhielt für ihre Werke, ihr Schaffen und ihre öffentliche Auseinandersetzung mit Themen im Bereich Feminismus, Gender, Kolonialismus und weiteren Gesellschaftsfragen Auszeichnungen und Preise.
Sie lebt mit einem Mann, der schön vorlesen kann und zwei Kindern, deren Mama eine «Ehrenfrau» ist, in Düsseldorf.
Zum Buch «Antichristie»
Im Roman Antichristie (2024) wählte Sanyal eine vielschichtige Erzählweise und zielte auf die Verschmelzung historischer, politischer und popkultureller Themen. Die Handlung bewegt sich zwischen Zeiten und Welten: Durga, die Protagonistin, reist ungewollt und überraschend von der Gegenwart ins London des Jahres 1906 und zurück. Dabei wechselt sie ihr Geschlecht und wird dort zu Sanjeev. Sanyal verbindet die indische Unabhängigkeitsbewegung und die britische Kolonialgeschichte mit einer zeitgenössischen feministischen Perspektive, wobei sie viele humorvolle Dialoge einfliessen lässt. Die Übergänge von erfundenen und geschichtlichen Passagen sind fliessend und meisterlich verflechtet. Der Roman ist sowohl Kriminalroman als auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Folgen des Kolonialismus und dem westlichen Blick auf die Geschichte und Geschichten, dem «Fremden» und den anderen Ethnien und damit letztlich auf unsere Wahrnehmung der Welt.
Zu ihrem Schreiben
Sanyal schreibt so, wie sie spricht: Schnell, viel und inhaltlich ausschweifend. Sie weiss über so vieles Bescheid, dass die Leserin und der Zuhörer häufige Pausen und Zeit für «Nachforschungen» braucht, um der Handlung und den Personen folgen zu können.
Als Kulturwissenschaftlerin ist sie eine Art Universalgenie in Geschichte, Politik, Ethnologie und weiteren Sozialwissenschaften und bringt dieses Wissen in ihre Texte ein. Das ergibt im Fall von «Antichristie» eine ziemliche Menge von Personal, komplexe Geschichte und Geschichten und dies eingebunden in raffiniert inszenierte Plots. Das Lesen ist wohl für die meisten kein Spaziergang, sondern eher ein Marathonlauf mit Hindernissen. Dafür erhält mensch Einblicke in Leben, Geschichte und Kultur von Individuen und Ethnien, die uns eher fremd sind, oder die zumindest anders als landläufig bekannt beleuchtet werden. Überzeugend scheint aber vor allem, dass scheinbar Bekanntes so vielschichtig und vielseitig inszeniert wird, damit wir gezwungen werden, unsere schwarz-weiss-Vorstellungen zu vielen Grautönen und schliesslich hin zu einer bunten Welt zu verändern, die definitiv auch verwirrend sein kann – und es wohl auch objektiv ist.
Im Anschluss an die Lesung gibt es die traditionelle Suppe der camera.lit.obscura
Mithu Sanyal zu «Antichristie»: https://www.youtube.com/watch?v=WpySXvsMpC0