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Kultur bewegt und verbindet

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Ein Auszug dieses Interviews ist auch im Zürioberland Magazin vom 24. Oktober 2025 erschienen.

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Kultur spielt eine zentrale und facettenreiche Rolle im täglichen Leben und prägt massgeblich die Qualität einer Region. Sie beeinflusst nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern leistet auch einen entscheidenden Beitrag zur Identität sowie zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung – auch im Zürcher Oberland.

Kultur ist mehr als Unterhaltung, und sie zeigt sich nicht nur in Museen und Theatern. Sie ist identitätsstiftend, fördert das Zusammenleben und macht Regionen unter anderem für Fachkräfte attraktiver.

Einerseits bewahrt Kultur die Schätze aus der Vergangenheit. Andererseits hat Kultur auch eine zukunftsgerichtete Komponente, indem sie Visionen für eine künftige Gesellschaft aufzeigt. Erst durch Kultur wird eine Stadt oder eine Region wirklich lebendig. Sie spiegelt die gesellschaftliche Debatte wider und bietet auch Raum für Auseinandersetzung und Reibung.

Die Transformationskraft von Kultur zeigt sich derzeit besonders gut am Beispiel des Zeughausareals in Uster. Das Projekt mit überregionaler Strahlkraft beweist, wie Kunst und Kultur städtische Räume, gesellschaftliche Prozesse und das Zusammenleben verändern und gestalten können. Dabei geht es um weit mehr als die Belebung eines historischen Orts.

Christian Zwinggi, Abteilungsleiter Präsidiales der Stadt Uster und Vorstandsmitglied der Standortförderung Zürioberland (SZO), und Jacqueline Falk, Leiterin Geschäftsfeld Kultur, SZO, beleuchten die Bedeutung von Kultur für die gesellschaftliche Entwicklung und die Attraktivität des Zürcher Oberlandes.

Im Zürcher Oberland gibt es kein Opernhaus, keine Tonhalle und auch kein Kunsthaus. Wodurch zeichnet sich Kultur in der Region aus?
Christian Zwinggi: Die Region bietet ein breites Kulturangebot. So prägen beispielsweise mehr als 30 grösstenteils ehrenamtlich geführte Museen und weitere Institutionen eine aktive Szene. Hinzu kommen einige professionell geführte Betriebe mit einer Strahlkraft weit über die Region hinaus. Ich denke da an die Bechtler Stiftung in Uster oder das Übersetzerhaus Looren in Wernetshausen. Der Zugang zur Kultur ist niederschwellig. Man ist nahe dran und erreicht ein vielfältigeres, breiteres Publikum als in den grossen Städten.

Jacqueline Falk: Die Kultur hier ist lebendig, nahbar und schafft echte Begegnungsorte. Bei Vernissagen, Konzerten oder Aufführungen kennt fast jede Person jemanden, der oder die engagiert mitarbeitet. Besonders Open Airs werden zu gesellschaftlichen Ereignissen und schaffen Verbindung. Es gibt keinen Ausschluss, sondern Offenheit und Teilhabe.

Der ganzheitliche Ansatz der Standortförderung Zürioberland beinhaltet ein eigenes Geschäftsfeld für Kultur und Gesellschaft. Wie ist dieser strategische Entscheid in Bezug auf die Kultur einzuordnen?

JF: Der strategische Entscheid, Kultur und Gesellschaft als eigenes Geschäftsfeld zu verankern, unterstreicht die Bedeutung von Kultur als Standortfaktor und verbindendes Element der Gesellschaft. Das Zürcher Oberland gehört zu den Regionen im Kanton Zürich, die ihre regionale Kulturförderung eigenständig durchführen, und gilt daher als beispielhaft. Für die Vergabe von Geldern setzt die SZO ein Expert:innengremium ein. Wir sind am Puls des Kulturschaffens und entwickeln Gefässe wie den Inspirationstag für regionale Museen mit Best Practice aus dem In- und Ausland.

CZ: Kultur ist ein grundlegender, identitätsstiftender Bestandteil der Standortförderung Zürioberland. Unsere vier Geschäftsfelder bedingen einander: Pulsierende Wirtschaftsräume sind zum Beispiel immer auch lebendige Kulturzentren. Kultur schafft Begegnung, belebt Industriebrachen und fördert Innovation. Das Potenzial der Verschränkung von Kultur und Wirtschaft zeigt sich eindrücklich bei der Kreativwirtschaft. Sie verzeichnet eindrückliche Wachstumszahlen und generiert eine sehr hohe Wertschöpfung.

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Jacqueline Falk: Leiterin Geschäftsfeld Kultur und Gesellschaft bei der Standortförderung Zürioberland. Master in Kunstgeschichte, Germanistik und Hispanistik sowie Kulturmanagement an der Universität Basel und Studium Art Education an der Zürcher Hochschule der Künste (ZhdK).

Daran anknüpfend: Die Identifikation der Bevölkerung mit ihrem Wohnort nimmt vielerorts ab. Wie ordnen Sie das ein?
CZ: Es ist tatsächlich so, dass heute die Menschen nicht mehr ausschliesslich dort wohnen, wo sie auch arbeiten. Dadurch verliert der Wohnort an emotionaler Bedeutung. Das geplante Kultur- und Begegnungszentrum Zeughausareal Uster wirkt bereits jetzt identifikationsstiftend. Entstehen soll ein Ort, der allen offensteht und echte Begegnungen ermöglicht. Die Stimmbevölkerung hat einen Kredit über 36,6 Mio. Franken bewilligt. Das ist ein klares Commitment, dass es Kultur- und Begegnungsräume mit regionaler Strahlkraft auch in mittelgrossen Städten wie Uster braucht.

Die Jungen verlassen zwar vorübergehend das Zürcher Oberland – etwa für ihre Ausbildung. Sie kehren aber in einer späteren Lebensphase wieder zurück und engagieren sich freiwillig in Vereinen. Dieses Engagement ist oft auch während der Studienzeit erkennbar. Die wiederkehrende Verbundenheit verdeutlicht eindrücklich, dass die emotionale Bindung zur Herkunftsregion stark bleibt. Solche kulturellen Angebote wirken identitätsstiftend und verankern das Zugehörigkeitsgefühl über Generationen hinweg.

Worauf legen Sie den Fokus in Ihrer Arbeit?
JF: Einerseits entwickeln wir das Zürcher Oberland als Schweizer Hotspot für Industriekultur, indem wir historische Areale und Orte in Wert setzen. Gleichzeitig schaffen wir Begegnungsräume und unterstützen Gemeinden bei der Entwicklung von Dorfzentren.

Andererseits fördern wir im Auftrag der Gemeinden und in Kooperation mit der Fachstelle Kultur des Kantons Zürich das zeitgenössische Schaffen in der Region gezielt mit finanziellen Mitteln.

CZ: Das Publikum von morgen ist schon da. Unsere Aufgabe ist es, dass die jungen Menschen die Schätze der Kultur entdecken und sich aneignen können – durch Vermittlung, die Neugier weckt, kritisches Denken fördert und Schwellen abbaut.

 

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Christian Zwinggi: Abteilungsleiter Präsidiales und Kulturbeauftragter der Stadt Uster sowie Vorstandsmitglied der Standortförderung Zürioberland. Executive Master in Public Management (EMBA), eidg. dipl. PR-Berater.

Warum sollen sich Menschen für Industriekultur interessieren?
CZ: Die Industriekultur prägt das Zürcher Oberland und trägt wesentlich zur regionalen Identität bei. Sie macht die Geschichte von Arbeit, Technik und gesellschaftlichem Wandel sichtbar. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist das Museum Neuthal Textil- und Industriekultur. Solche Orte zeigen uns, woher wir kommen, helfen uns die Gegenwart besser zu verstehen und ermöglichen es, die Zukunft bewusst zu gestalten.

JF: Industriekultur fördert das Zugehörigkeitsgefühl, indem sie uns mit unseren Wurzeln verbindet und das Bewusstsein für die Herkunft alltäglicher Dinge, wie etwa unsere Kleider, schärft. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte bringt uns wieder näher zur Umwelt. Sie zeigt, wie Stoffe gefertigt werden.

CZ: In einer zunehmend digitalisierten Welt werden Stricken oder Schreinern zu bewussten Gegenbewegungen. «Knitting» oder «Visual Mending» stehen für eine nachhaltige Kultur des Erschaffens, die Sinn stiftet und glücklich macht.

JF: Genau. Was bleibt sind kulturelle Leistungen, kreatives Denken und das mit den Händen Geschaffene; all das, was auch in Zukunft nicht durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden kann.

Welche Trends lassen sich in Bezug auf die Kultur im Zürcher Oberland ausmachen?
CZ: Den Megatrend «Silver Society» beobachten wir deutlich in unserem Publikum. Diese Gruppe wächst am schnellsten. Menschen über 50 Jahre schätzen insbesondere die geografische Nähe, den sozialen Austausch und ein unaufgeregtes Angebot. Damit bedienen wir zugleich den Subtrend «Langsamkultur». Die erwähnte Nähe ist auch für Familien wichtig.

JF: Das Zürcher Oberland ist für ideal für Kulturschaffende. Diese verfügen oft über begrenzte finanzielle Mittel und sind auf bezahlbare Räume und gute Plattformen angewiesen. Hier gelingt ihnen auch die Vernetzung einfacher, was die Region zu einer «Progressiven Provinz» macht.

Wie weit ist die digitale Transformation der Kulturszene bereits fortgeschritten?
CZ: Kulturschaffende haben ein feines Gespür für transformative Kräfte und sind neugierig. Sie sind oft die Ersten, die sich mit neuen Entwicklungen auseinandersetzen. Neue Technologien werden von der Kultur nicht nur aufgenommen, sondern auch reflektiert. Aber Künstliche Intelligenz schafft natürlich auch andere Fragestellungen, wie zum Beispiel jene nach Urheberrechten.

JF: Gleichzeitig fehlt es vielerorts an personellen und finanziellen Ressourcen, um die digitale Transformation konsequent umzusetzen. Mit dem jährlich stattfindenden «Kulturapéro» schaffen wir gezielt Raum für Austausch, Wissenstransfer und Vernetzung zu solchen Themen.

 

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Erst durch Kultur wird eine Stadt oder eine Region wirklich lebendig – sie ist der Herzschlag, der uns verbindet, prägt und inspiriert.

Jacqueline Falk, verraten Sie uns Ihren kulturellen Geheimtipp im Zürcher Oberland?

JF: Das KMM Kulturzentrum in Dürnten ist einzigartig in der Schweiz. Es zeigt eine der grössten Ausstellungen zum Thema mechanische Musikautomaten und bringt nicht nur Kinderaugen zum Strahlen.

Christian Zwinggi, welches kostenlose Kulturangebot können Sie empfehlen?

CZ: Einmal im Monat nimmt die Künstlerin und Kulturvermittlerin Karen Geyer die Teilnehmenden auf ihren Spaziergängen mit zu den bekannten und weniger bekannten Kunstwerken im öffentlichen Raum der Stadt Uster.

Besten Dank für Gespräch.

Althörnli Festival

Das Althörnli Openair ist ein kleines, aber feines Openair, um gemeinsam eine tolle Zeit zu verbringen, sich auszutauschen und um inspirierenden Künstler:innen eine Plattform zu bieten.

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2025 wurde bereits die fünfte Auflage des beliebten Openairs in Bliggenswil (15 Minuten Gehdistanz oberhalb vom Bahnhof Bauma) durchgeführt.

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Kutlurförderung der Standortförderung Zürioberland

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In enger Zusammenarbeit mit der Fachstelle Kultur des Kantons Zürichs unterstützt die SZO regionale Projekte in den Bereichen bildende Kunst, Literatur, Musik, Tanz, Theater und Spartenübergreifendes. Voraussetzung ist, dass diese einen Bezug zum Zürcher Oberland haben und weitere Kriterien erfüllen.